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    exposito - de - romano

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    Während sie mit dem Schiff nach Griechenland übersetze, blieb ihr Zeit die Vorbereitungen für die nächsten Tage zu treffen. Sie hatte ja genug Lesestoff von Griechenland dabei. Und natürlich das nötige Kartenmaterial um ihre Reiseroute planen zu können. Dazu gehörte allerdings auch, sich Plan A, B und eventuell C zurechtzulegen. Weil sie nicht einschätzen konnte, wie alles im praktischen zu realisieren sein würde. Es war in erster Linie eine Zeit und auch eine Geldfrage. Was jedoch fest in ihrem Programm zu stehen hatte, wusste Marie: Delphi, Mykene und Kreta.
    In Delphi saß einst das bedeutendste Orakel des Altertums, die Pythia. Und in der Form gewiss einzigartig. Vielleicht be-saß dieser Ort ja noch ein wenig von jener geheimnisvollen Mystik, wie auch immer. Aber um dem Mysterium Kassandra näher zu kommen, wäre hier bestimmt ein guter Anfang gemacht. Und in Mykene, da wo sie den Berichten zu folge ihr Ende fand, und das sich zudem nicht weit von Delphi befindet, musste Marie ebenfalls Station machen. Auf dem Schiffsweg wollte sie dahin gelangen, über Korinth.
    Marie versprach sich nicht allzu viel von den Besuchen jener besonderen Orte, sie wusste, Hinweise zu Kassandra würde sie auf keinen Fall finden. Nirgends in Griechenland. Aber all das sollte eventuell helfen, etwas von ihrer Zeit einzufangen. Um so versuchen zu verstehen, was ihre Geschichte so tragisch, hoffnungslos enden ließ. Jedenfalls für die, die nach ihr kamen, es sehen mussten. Wie sie selbst ihre Lage einschätzte, wissen wir nicht. Wir wissen natürlich auch nicht, wie ihre Geschichte wirklich endete.
    Irgendwas sagte Marie jedoch, dass damals das Schicksal vor drei- bis viertausend Jahren, für Kassandra nicht endgültig besiegelt wurde. Das sie gar die Chance erhielt, in einer für Frauen besseren Zeit, ihre Gabe sinnvoller zu nutzen. Verborgene Dinge zu sehen ist kein Fluch, sondern, mit Verstand eingesetzt, eine Ehre. Eine Ehre für die, die sie besitzen und jene, denen sie zuteil wird.
    Vielleicht gelang zu Zeiten in denen Kassandra lebte ein Anfang, dem ein langer beschwerlicher Weg folgte. Mit dem Sinn, zwangsgesellschaftliche Notwendigkeiten genauer zu überprüfen, um so für jeden eine freiere Lebensform schaffen zu können. Das sollte doch unser wirkliches Ziel sein: ein Leben nach eigenen Bedürfnissen und Nutzen. Das letztend-lich allen zugute kommt. Nicht das jemand dabei den Gedanken erhält, hier dreht sich alles um das eigene Wesen. Jeder sollte tun und lassen wie er mag. Nein, so ist es nicht gemeint. Aber der Mensch leistet mehr, bleibt gesünder, wenn er weiß wofür er lebt: Für sich. Er lebt, so wie er es für richtig hält. Niemand sollte ge-zwungen werden, ein Leben zu leben, das ihm nicht angepasst ist. Denn es lässt sich nichts erzwingen, dann passiert schon eher das Gegenteil.
    Nur sind wir von solch einem Denken noch um einiges entfernt. Unvorstellbar das dies in absehbarer Zeit zur Realität werden könnte. Doch ewig lässt sich der menschliche Geist nicht mehr verdummen. Irgendwann haben es so viele begriffen, nur die Zeit nicht.
    Wenn zu viele auf einmal versuchen aus diesem, ihrem Leben auszubrechen, dann haben wir wirklich ein Problem. Wenn ich ‚Sehen' könnte, dann würde ich sehen, das wir auf eine Katastrophe ungeahnten Ausmaßes zu steuern. Kein Krieg und keine Naturkatastrophe würden damit vergleichbar sein.
    Kreta. Die dritte, große Station für Marie hier in Griechen-land. Sie gedachte der Insel im Bezug auf Kassandra eine besondere Rolle zu. Das Leben in Troja schien mit dem auf Kreta ähnlich zu sein. Nur ist uns davon außer den Fund-stücken nicht so viel bekannt. Aber auf Grund der Aufzeich-nungen Homers, wissen wir vom Leben auf Troja. Es ist al-lerdings auch bekannt, das Homer seine Geschichten gern ausschmückte mit übernatürlichen Wesen, und Dinge gern miteinander vermischte. Also nicht unbedingt davon ausge-gangen werden kann, das sich alles so zugetragen hat. Das gilt für Orte ebenso wie für die darin erwähnten Menschen. Das wissen wir ja schon durch andere Geschichten von ihm. Sicher verflocht er alles Nennenswerte seiner Zeit, um einen interessanten Erzählstrang bilden zu können. Das macht schließlich auch einen guten Erzähler aus. Doch für Leser einige tausend Jahre später, ist dies wohl nicht so sehr geeignet. Aber Homer konnte doch nicht ahnen, das seine Geschichten so lang überdauern. Nein, daran dachte er bestimmt nicht. Das sie einmal der Geschichtsschreibung im eigentlichen Sinne dienen würden. Dafür hat er sie bestimmt nicht geschrieben. Gewiss waren sie als eine Art Moralpredigt seiner eigenen Zeit gedacht. Ein erhobener Zeigefinger zur Mahnung.
    So meinte Marie, mit Kreta ein Stück fast lebendige Heimat der Kassandra vor sich zu haben. Auch wenn dazu einiges an Phantasie aufgewendet werden muss.
    Ach ja, dann war dort noch die Geschichte mit dem gehörnten Ungeheuer, einem Labyrinth und einer Liebesgeschichte. Die ein gutes und ein weniger gutes Ende genommen hat. Und offenbar davon zeugen soll, das Liebe ein ewiges Rätsel bleiben wird. Und nur derjenige sie kennt, der sie von Anfang bis Ende durchlebt hat. Das dies geschieht, ist so unwahrscheinlich wie wahrscheinlich die Geschichte um den Minotaurus so nie stattgefunden haben kann.
    Mit dem Ende ist gemeint, das wahre Liebe keines kennt - sowohl sie auch keinen Anfang besitzt. Sie ist bereits da, bevor sie erkannt wurde. Da ein Mensch jedoch kaum in der Lage sein wird, das je zu begreifen, bleibt wahre Liebe unerfüllt. Einzig allein die Sehnsucht danach ist unverwüstlich. Und der Glaube an sie. Damit müssen wir uns wohl zufrieden geben. Es ist ja auch so, dass erfüllte Wünsche schnell ihren Reiz verlieren. Der Wunsch allein ist demnach unser Antrieb zu wachsen - zu lernen. Zu lernen, was wirklich wichtig ist zum Leben. Im positiven Fall. Im negativen, versuchen wir uns mit irgendwelchen Ersatzwünschen zufrieden zu geben. Im materiellen wie im emotionalen Erleben. Im äußeren Betrachtungswinkel scheint uns dass Befriedigung zu verschaffen, aber innerlich höhlt uns das ganze Stück für Stück aus. Und eh wir es merken, sitzen wir fest in einer Situation die wir eigentlich vermeiden wollten. Unbefriedigt verlieren wir uns in einer Welt, die mit den ursprünglichen Wünschen nur noch wenig gemein haben. Wo sich die Dinge verselbstständigen, sich ver-fremden. Und man sich fragt, welchen Sinn macht das alles. Nicht das unbedingt immer alles einen Sinn ergeben muss, nein. Nicht sofort. Aber wenn die Jahre dahin schwinden, mit dem Ziel nur wieder einen Tag im Kalender abstreichen zu können, kann was nicht stimmen.
    Also geht es im Leben um die Suche nach den wahren Be-dürfnissen, die uns nicht nur kurzweilig beglücken, dachte Marie weiter. Die vorwiegend innerlich etwas in Bewegung setzen, ohne durch äußerliche Begehrlichkeiten allzu stark beeinflusst zu werden.
    Doch woher weiß man was uns beeinflusst? Und ob es auch richtig ist -
    Richtig für unseren Weg?
    Das können wir wohl nur herausfinden, in dem wir reichlich Er-fahrung sammeln. Mit ein wenig Mut Dinge wagen, die das Leben für uns bereithält. Und mit dem uns eigenen Vertrauen erkennen lässt, was wir davon auswählen. Immer und immer wieder.




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