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    exposito - de - romano

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    Gleich zu Beginn ihrer Reise versuchte sie eine Freundin aus ihrer alten Heimat anzurufen, sie studierte mit Michel gemeinsam. Außerdem gehörte sie dem Bund an, war somit auch Vertrauensperson. Sie sollte Michel Bescheid geben, was Marie vorhatte. In ein paar Tagen wollte sie wieder dort anrufen, um eine Antwort zu erhalten. Vielleicht konnte sie mit Michel selbst sprechen, das wäre natürlich das Beste.
    Dabei wünschte sie sich, im Schloss würde es einen Telefonanschluss geben. Andererseits musste befürchtet werden, dass dieser abgehört werden könnte.
    Sie erreichte ihre Freundin telefonisch, und diese erklärte sich bereit, Michel die Nachricht zu überbringen. In etwa einer Woche wollte Marie sich wieder bei ihr melden. Hoffentlich gelang alles so wie sie es sich vorgestellt hatte. Das wäre phantastisch.

    Der Monat Mai neigte sich langsam dem Ende und mit ihm der Frühling. Selbst dieser brachte schon eine enorme Hitze mit sich. Jedenfalls empfand das Marie. Schließlich war es für sie das erste Mal, das sie sich so weit südlich aufhielt.
    Ungefähr Mitte oder Ende Juni wollte sie dann in Richtung Frankreich aufbrechen. Möglichst mit dem Schiff an der Küste Afrikas entlang. Um ab und an einen Abstecher aufs Festland zu unternehmen.
    Inzwischen hatte sie bei ihrer Freundin angerufen. Diese teilte ihr jedoch nur kurz mit, dass Michel ihr schöne Grüße ausrichten lässt und sie solle Anfang Juli in Frankreich sein. Ein paar Tage vorher solle sie noch mal nachfragen, ob und wo sie sich treffen. Ob sie sich treffen? Was war das? Sehr sicher klingt das ja nicht. Jetzt konnte Marie nur hoffen, dass alles gut ging. Es schien so einfach, einfach perfekt. Eigentlich musste es gut gehen. Wenn Michel wirklich wollte, dann würden sie sich ein paar schöne Tage oder Wochen in Frankreich machen. Er könnte ihr seine Heimat zeigen. Jetzt war es möglich, schneller als damals zu anfang gedacht. Nein, Michel wird bestimmt alles dran setzen um zu ihr zu kommen. Daran wollte sie nicht zweifeln.
    Das einzige was ihn davon zurückhalten konnte, das ihn jemand aufhielt. Vielleicht irgendein Mädchen, das sich Chancen bei ihm ausrechnete. Hatte er sich gar schon anderweitig orientiert? In seinem Alter ist es verständlich. Marie würde nicht verlangen können, dass er ewig auf sie unschuldig wartete. Sie hätte gewiss eher daran denken sollen, welche Möglichkeiten sie besaßen sich hin und wieder doch zu sehen. Da sie bei ihrem fortgehen nichts darüber erwähnte, war er eventuell davon ausgegangen, dass sie dies nicht wünschte.
    Mit was sie sich jetzt zu trösten wusste: wenn er nicht zu ihr nach Frankreich kam, wusste sie wenigstens woran sie war. Sie würde jedenfalls nicht bereuen, es versucht zu haben.
    Doch nun würde sie sich die nächsten Wochen erst einmal auf ihre weitere Reise konzentrieren. Vielleicht sollte sie die Gelegenheit nutzen, und ein volles Programm starten. So das sie keine Zeit zum Nachdenken oder Grübeln hatte. Geschweige irgendetwas zu vermissen. Damit konnte sie nebenher mehr entdecken und erleben, als sie es eigentlich plante. Die Sache war es auf Fälle wert. Auf beiden Seiten.
    Griechenland ich komme. Ich werde alles was du an Schätzen zu bieten hast erkunden. Kein Geheimnis soll danach nicht von mir unergründet beziehungsweise verborgen geblieben sein. Ich werde eintauchen in deine Welt, als hätte ich vor den Ozean zu durchschwimmen.
    Vielleich kann ich sogar etwas auf Kassandra Pfaden wandeln. Irgendwo hatte sie einmal gelesen, dass sie sich am Ende in Griechenland verloren hatten.
    Kassandra, die große Seherin, geboren um nie vergessen zu werden. Um nie vergessen zu lassen. Aber was genau?
    Die Zeiten mögen sich wandeln, die Probleme bleiben jedoch irgendwie immer die gleichen: Lösen und Binden, Aufbau und Zerstörung, Liebe und Hass, Krieg und Frieden.
    Marie kam da jetzt so eine Idee. Warum nicht gleich alles auf eine Karte setzen. Statt von einer Sehenswürdigkeit zur nächsten zu hetzen, sich nur einer Sache widmen. Kassandra! Welche Spuren hinterließ sie hier? Gibt es überhaupt welche?
    Zumindest die ihrer Götter sind in jedem Fall hier zu finden. Und ist es nicht das, was den Mythos Kassandra ausmachte? Sie als lebender Teil zwischen Toten himmlischen Ursprungs, Götter genannt, die ihr Pflichten und Aufgaben zuwiesen. So ist es jedenfalls überliefert.
    Dabei geht es letztendlich gar nicht so sehr um die einzelne Person Kassandra, wohl eher was sie antrieb. Was uns alle antreibt. Ein Geheimnis das uns Menschen von jeher beschäftigt. Und ohne dass wir dem bisher wirklich nahe gekommen wären, schaffen wir es uns stetig weiterzuentwickeln. Offenbar einen Plan folgend, den wir nicht kennen. Schritt für Schritt bewegen wir uns so weiter nach vorn, und staunen über das geleistete.
    Aber die größte Herausforderung bleibt die Unwissenheit über die Zukunft. Schon allein was morgen sein wird, bleibt uns verborgen. Jeder neue Tag bringt neue Entscheidungen mit sich, die getroffen, vorbereitet werden wollen. Einzig al-lein die Erfahrung kann uns dabei helfen, ihnen zu vertrauen - uns zu vertrauen. Oder gibt es da doch etwas, das uns die Richtung vorgibt?
    Kassandra war es gegeben, in die Zukunft zu Sehen. Doch nicht, das man ihr dafür Glauben schenkte. Hätte sie lieber schweigen sollen? Der Überlieferung nach, diente sie im Tempel der Götter. Wohl nicht gerade die geeignete Position um Entscheidungen treffen zu dürften, geschweige zu Handeln. Was nützt einem da eine solch besondere Gabe?
    Sie war allerdings auch die Tochter des Königs, aber das nutzte zu diesen Zeiten wenig. Wäre sie ein Mann gewesen, hätte sie gewiss mehr ausrichten können. Doch hier kommt alles negative wieder einmal zusammen. Und das nicht ohne Grund. Kassandra wurde gemeinsam mit ihrem Bruder Paris geboren, als Zwillinge. Schon vor der Geburt gab es Vorzei-chen, in Art einer Traumprophezeiung, das Paris dem Hause Unglück bringen würde. So musste kommen, wie es gekom-men ist. Was hätte das verhindern können?
    Ist Unglück vorherbestimmbar? Wenn ja, ist es dann auch unabwendbar? Vielleicht ist das die Frage aller Fragen: Was kann man tun, um drohendes Unheil abzuwenden? Andererseits ist es auch so: was dem einen sein Unglück ist des anderen sein Glück. Und jeder ist für sein Glück selbst verantwortlich.
    Marie tat sich schwer damit, eine solche Logik zu akzeptieren. Doch betrachtete sie das ganze anhand der Geschichte Trojas, mit welcher Ignoranz und Dummheit man dort wichtigen Tatsachen begegnete, oder gar ignorierte, konnte denen nichts anderes helfen. Außer das ihnen der Garaus gemacht wurde. Da musste das Unglück selbst schon als Geschenk betrachtet werden, damit dem Treiben der Gier - wie sie auch dort herrschte - ein Ende gesetzt werden konnte. Ehe noch schlimmeres angerichtet wurde.
    Wie kann ich nun mit dieser Erkenntnis, auch wenn es jetzt nur meine eigene ist, durch jenes Land hier streifen? Sehen was sich nach Troja verbessert hat? Na ja, jedenfalls steht dieses Land noch auf seinen alten Säulen. Beziehungsweise, noch stehen die Säulen auf diesem Land. Der Wiege Europas, wo es seinen Anfang nahm und vielleicht auch irgendwann sein Ende findet.
    Wie hätte Kassandra ihr Schicksal selbst verändern können? Lag es in ihrer Hand das zu tun? Hatte sie es gar bereits versucht? Darüber ist nichts überliefert. Aber genau das wäre für mich das interessanteste. Allerdings spricht das Ende eine deutliche Sprache. Da ist alles andere dann schon nebensächlich. So bleibt die Hoffnung auf die Veränderbarkeit des Schicksals weiter erhalten. Auch oder gerade in den größeren Dingen des Lebens.
    Wonach sollte sie jetzt aber hier anfangen zu suchen? Einen wirklichen Anhaltspunkt besaß sie nicht. Und sie wusste, jemanden danach befragen brauchte sie auch nicht. Wenn, dann konnte ihr nur der Zufall helfen.
    Maries Optimismus schien mit einem mal weit tief zu sinken. Ihre anfängliche Idee war bestimmt nicht schlecht. Doch kaum geht es daran sie in die Realität umsetzen zu müssen, zeigen sich die Schwierigkeiten.




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